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Potenziale, Risiken, Trends: Die Automobilbranche in turbulenten Zeiten

Die Digitalisierung, Vernetzung, neue emissionsarme Antriebsformen und ein verändertes Mobilitätsverhalten sind die Megatrends, die die Automobilbranche dramatisch umwälzen. Die Entwicklungen sind bereits in vollem Gange. Für Hersteller und Zulieferer heißt das, den Weg Richtung Zukunft einzuschlagen, ohne zu wissen, wohin die Reise letztlich geht. Entscheidend ist, möglichen Handlungsbedarf rechtzeitig zu erkennen und intelligent darauf zu reagieren. 

Noch nie hat die Automobilindustrie einen derart gravierenden Umbruch erlebt, der gleichzeitig auf der Kunden-, Produkt- und Prozessebene stattfindet. Um zu erkennen, wie enorm die Auswirkungen sind, reicht beispielhaft der Blick auf nur einen Teilbereich: der Elektromobilität. 40 Milliarden Euro planen die Automobilisten bis zum Jahr 2020 in die Entwicklung des alternativen Antriebs zu stecken, um bis 2022 mehr als 200 neue E-Modelle anzubieten. Sie werden dabei viel Geld verlieren, denn die erwarteten Absatzzahlen für etliche Modelle sind vergleichsweise gering. Neben dem hohen Investitionsbedarf sieht sich die Branche mit weiteren wirtschaftlichen Risiken konfrontiert. 

Die Absatzmärkte schwächeln massiv
Knapp 425 Milliarden Euro setzte die deutsche Automobilindustrie im vergangenen Jahr um. Das war ein minimales Umsatzwachstum, das beim Export sogar ins Minus rutschte. Die wichtigen Märkte schwächeln in China, Europa und den USA. Gleichzeitig steigen auf breiter Front die Kosten. Auf die Gewinnmargen drücken die amerikanischen Sonderzölle ebenso wie explodierende Preise für Kobalt und Nickel, essentielle Rohstoffe für die Batterieproduktion. Sinkt der Cashflow, zwingt das zu Einsparungen beim Material und Personal oder zur Erschließung von weiteren Kostenpotentialen bzw. Kostendegressionseffekten.  

Eine bereits im Markt erkennbare Reaktion ist die weltweite Zunahme von Übernahmen und Fusionen, insbesondere im Zusammenhang mit neuen Technologien und innovativen Geschäftsmodellen. Während die internationale Konkurrenz intensiv Mergers & Akquisition betreibt, um zu wachsen, zielt die Strategie deutscher Unternehmen eher auf die Portfolioergänzung vorzugsweise im Bereich Software. 

Was ist der Antrieb der Zukunft?
Experten schätzen, dass die weltweite Automobilproduktion noch um 30 Prozent ansteigt auf 120 Millionen Einheiten als Maximalwert. Bis 2040 halten reine E-Autos 40 Prozent des Weltmarktes, die Mehrheit sind aber immer noch Verbrenner einschließlich Hybriden, so die Prognosen. Der Verbrennungsmotor - das Kernstück der deutschen Zuliefererkompetenz - bleibt also vorerst auf der Agenda, allerdings mit deutlich kleineren Wachstumsraten als die E-Mobilität.

Doch sind batterieelektrische Fahrzeuge wirklich die Lösung der Zukunft? Es spricht einiges dagegen. In den Emerging Markets, in denen mit einem hohen Volumenwachstum zu rechnen ist, sind die oft instabilen Versorgungsnetze für E-Mobility nicht geeignet. In zahllosen Industrieländern wird die Lust der Verbraucher auf einen Stromer ausgebremst, aus Sorge auf der Strecke zu bleiben, da massiv Ladestationen fehlen. Kommt der Strom wie derzeit oft nicht aus regenerativen Energiequellen, werden E-Autos dem Wunsch nach CO2-freiem Fahren nicht gerecht. Zudem trübt der Verbrauch seltener Rohstoffe, zu denen es in der Batterieproduktion bislang keine Alternative gibt, die Ökobilanz. Vieles deutet darauf hin, dass batterieelektrische Fahrzeuge nur eine Übergangslösung sein werden, auf dem Weg zur Brennstoffzelle oder einer bislang unbekannten Antriebslösung. Die Automobilbranche muss auf weitere Veränderungen gefasst sein.

Hoher Druck auf Zulieferer 
Diesel, Benziner, Hybrid, Elektromotor – die immer breiter werdende Angebotspalette fertigen erste Hersteller bereits auf einer Linie. Für jedes Modell werden andere Komponenten benötigt. Das zeigt sich allein beim Motor mit bis zu 2.500 Teilen für herkömmliche Varianten und bis zu 250 bei den elektrischen. Solang unklar ist, welcher Trend sich wann durchsetzt, sind individuelle Vorhersagen für die Geschäftsentwicklung von Lieferanten äußerst schwierig. Zugleich lastet ein hoher Transformationsdruck auf ihnen, der sie zwingt, parallel etablierte und zukünftige Technologien zu entwickeln. Die einst starke Position am Weltmarkt bröckelt zudem. Bis vor wenigen Jahren gelang es den deutschen Lieferanten aller Ebenen ihre Anteile stetig auszubauen. Seit 2015 ist das vorbei. Die deutschen Tier 1-3 verteidigen nur noch ihren Status, während internationale Wettbewerber an ihnen vorbeiziehen beim Wachstum der Etats für Forschung & Entwicklung, beim EBIT und beim Umsatz. 

Neue Standorte, neuen Kompetenzen 
OEMs errichten verstärkt lokale Produktionsstätten in prosperierenden Regionen und erwarten das auch von ihren Zulieferern. Daraus resultieren hohe Kosten, um Werke vor Ort zu errichten und mit Equipment, Management und Personal auszustatten. Um bei neuen technologischen Entwicklungen mitzuhalten, müssen Lieferanten ihre Kompetenzen erweitern, etwa im Bereich Software, Elektrik und Elektronik. Transformationen basieren auch auf finanzieller Stärke und Größe, um die notwendigen Investitionen zu stemmen. Kleineren Unternehmen wird das nur in der Kooperation mit Big Playern und Technologieführern gelingen. Dabei gilt es die eigenen Stärken konsequent im Auge zu behalten: Robustheit, Sicherheit, Qualität und Lebensdauer. Mit der richtigen Strategie werden Zulieferer erfolgreich durch die turbulenten Zeiten kommen und von der neuen Mobilität profitieren. Denn die Autos der Zukunft werden gespickt sein mit hochwertiger Technologie wie autonomen Fahrsystemen, Connectivity-Bausteine und Big-Data-Lösungen zur Auswertung von Kunden und Fahrerdaten. Das bietet Zulieferern ein enormes Potenzial für ihre Wertschöpfung.